DIE LINKE.
IM KREISTAG DES LANDKREISES GÖPPINGEN
Sehr geehrter Herr Landrat Wolff,
sehr geehrter Herr Heinz,
sehr geehrte Dezernenten,
werte Kolleg_innen,
geschätzte Mitarbeiter_innen der Kreisverwaltung,
sehr geehrte Herren der Geschäftsleitung der Alb Fils Klinik
und deren geschätzte Mitarbeiter_innen,
werte Damen und Herren von den Medien,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
bevor ich zum Kern meiner diesjährigen Rede komme, möchte ich auf zwei Anträge der AfD, die nach Gerichtsbeschluss ein rechtsradikaler Verdachtsfall ist, eingehen. Ihr Antrag zur aufgeschlüsselten Herkunftserhebung der Kreisbürger_innen ist einfach nur widerlich und bestätigt aufs Erneute, dass es Ihnen nicht gelingt, sich von rassistischen Strömungen in Ihrer Partei zu lösen und das die Einstufung als rechtsradikaler Verdachtsfall eben berechtigt ist. Des Weiteren muss ich schon sagen, schämen Sie sich eigentlich nicht, als Kreistagsfraktion einen Antrag der Stadtratsfraktion LINKE. & PIRATEN abzukupfern. Ihr Imkerantrag stammt von meiner Stadtratsfraktion und wurde von Ihrer AfD-Stadtratsfraktion sogar abgelehnt. Glauben Sie wirklich, mit solchen Aktionen beweisen zu können, dass es sich bei Ihrer Partei um eine Partei handelt, die sich für Bürgerinteressen einsetzt. Das wird Ihnen nicht gelingen und meine Partei wird da weiterhin erbitterten Widerstand leisten. Wenngleich ich sogar feststellen muss, dass Sie auch lernfähig sind. Diesmal haben Sie wenigstens darauf verzichtet, an der Gedenkveranstaltung zur Reichspogromnacht auf dem Göppinger Synagogenplatz einen Kranz abgeworfen haben. Wenigstens haben Sie damit nicht erneut die Gräueltaten Ihrer rechtsradikalen, faschistischen Vorgänger an den Opfern verhöhnt.
Meine Damen und Herren, ich war Teilnehmer der Delegationsreise der Stadt Göppingen nach Klosterneuburg, auch wenn ich gesundheitlich bedingt nicht alles mitmachen konnte, hatte ich zumindest das Vergnügen, und das meine ich genau so, wie ich es sage, die Rede von Bürgermeister Schmuckenschlager am Festakt Montagabend zu hören. Am Ende des Festaktes bat ich innerhalb eines Gespräches Herrn Schmuckenschlager darum, aus seiner Rede heute zitieren zu dürfen. Er hat gerne eingewilligt und mir deshalb am Mittwoch seine Rede zum Zitieren zugeschickt. Vorsorglich möchte ich noch darauf hinweisen, dass falls die Eine oder der Andere mir gerne zurufen möchte „zur Kommunalpolitik Herr Stähle“, dann erlaube ich mir deshalb den Hinweis, Herr Schmuckenschlager ist Kommunalpolitiker und Bürgermeister einer Kommune und sitzt weder in der Regierung in Wien noch ist er Abgeordneter in der Nationalversammlung in Österreich.
Text zitiert aus der Rede des Bürgermeisters Schmuckenschlager von Klosterneuburg in Österreich:
„Selbst wenn mein Amt immer ein gewisses Maß an diplomatischer Zurückhaltung erfordert, zähle ich mich mit Stolz zum Verein der Freunde einer deutlichen Aussprache. Das will ich heute nutzen, denn ich denke, wir leben in einer Zeit in der wir viel zu besprechen hätten und oftmals nicht in die Tiefe dringen.“
Und weiter fährt er fort:
„Das Budget - so heißt in Österreich der Haushalt meine Damen und Herren, musste erstellt werden und die ungewissen Entwicklungen stellten und stellen uns vor riesige Aufgaben. Der schreckliche Krieg in der Ukraine ließ unmittelbar nach den Corona-Jahren neue Krisensituationen entstehen. Dem ersten Energieengpass folgte eine Inflation, die es in dieser Höhe seit Jahrzehnten nicht mehr gab. Als Reaktion darauf musste die Europäische Zentralbank ihre Niedrigzinspolitik aufgeben und Zinssätze erhöhen, damit nicht sämtliches Vermögen verfällt. Der wirtschaftlichen Entwicklung wird ein Rückgang vorhergesagt und somit ergibt sich insgesamt eine schwierige Voraussetzung für öffentliche Haushalte.
Aber wenn die gesamte Welt mit diesen Bedingungen zu kämpfen hat, wie können wir unsere Situation im Vergleich bewerten?“
Herr Schmuckenschlager kommt nun zum wichtigsten Teil seiner Rede, der mir eine Freude ist, Ihnen hier und heute vorzutragen. Er fuhr fort:
„Machen wir eine kurze gemeinsam Reise: Österreichs beliebtestes Ferienziel ist Italien. Wie sieht es in „bella Italia“ aus? Vor ca. 1 Woche feierten tausende Neofaschisten im kleinen Bergdorf Predappio in Norditalien. Sie feierten den 100. Jahrestag des „Marsches auf Rom“ und taten dies in Predappio, da dort der Diktator Mussolini begraben liegt.
Nebenbei begrüßen sie inhaltlich - inklusive Hitlergruß - die neue Regierung unter Giorgia Meloni überschwänglich. Nationalisten und ein Staatssekretär, der sich noch vor Jahren in Nazi-Uniform zeigte, sind an der Regierung in Italien beteiligt. Die Zustände in Italien haben offenbar dazu geführt, dass keine Warnungen oder historischen Stoppschilder mehr ausreichten, um eine andere Wahlentscheidung zu ermöglichen. Das Gespenst des Nationalismus hat somit ein Gründungsland der EU fest im Griff und der Vormarsch nationaler Bewegungen in ganz Europa sollte klar machen, dass der politische Kurs Europas dringend hinterfragt werden muss.“
Sie meine Herren von der AfD begrüßen die faschistische Regierung und meine Damen und Herren von der SPD, FDP und Grünen Ihr Kanzler rief diese Regierungschefin auch noch ohne Not von sich aus an... ein Sündenfall.
Schmuckenschlager fährt fort:
„Nicht jeder Wähler hinter diesen Kräften ist per se ein hartgesottener rechter Sympathisant, sondern sieht oftmals keine andere Alternative. Es liegt auch an allen anderen politischen Kräften, Alternativen anzubieten und sich dabei aber nicht im Morast der schlimmsten Hinterlassenschaft menschlicher Tyrannei auf unserem Kontinent zu suhlen.
Reisen wir weiter. Verlassen wir Europa, blicken wir nach Amerika. In Brasilien führte die Wahlniederlage des bislang amtierenden Präsidenten Bolsonaro zu zahlreichen Ausschreitungen und Aufforderungen seiner Anhänger, dass das Militär den Amtsinhaber, trotz seiner Wahlniederlage an der Macht zu halten hätte. In Rio de Janeiro riefen enttäuschte Wähler: «Soldaten, rettet Brasilien!». Bei anderen Protesten im Süden des Landes wurde ebenfalls wieder der Hitler-Gruß gezeigt. Hunderte Demonstranten reckten vor einer Kaserne in der Ortschaft São Miguel im Süden des Landes ihre Arme zum faschistischen Gruß in die Höhe und sangen die Nationalhymne. Der Wahlausgang war denkbar knapp und hat die Demokratie damit besonders herausgefordert.
Scheinbar ist der schnellste Reflex in einer geschwächten Demokratie die Orientierung an frühere Diktaturen und Diktatoren...
Als gespaltenes Land darf man in Nordamerika auch die Vereinigten Staaten bezeichnen. Die politische Auseinandersetzung zwischen Republikanern und Demokraten gerät immer mehr in einen gewalttätigen Bereich.
Deutsche Medien bezeichnen die Grenzen zwischen den großen politischen Lagern mit der Formulierung: „Blauland gegen Rotland“, nach den Parteifarben. Einfältiger geht es nicht mehr. Beobachter sind sich einig, dass der politische Diskurs in den USA noch nie derart verroht war. Übergriffe vor Wahllokalen, ein Überfall auf die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und ein ehemaliger Präsident Trump, der die aufgeheizte Stimmung um seine verlorene Wahl und mögliche „Rache“ am System, durch einen erneuten Wahlantritt weidlich schürt.
Es wirkt als würden die Wähler mehr und mehr missbraucht und austauschbares Publikum in einer Mediendemokratie werden, die Einschaltquoten über die Gesetze und vernünftiges politisches Handeln stellt.
Unerwähnt lasse ich jetzt, Iran, Pakistan, Afghanistan, Nordkorea, Taiwan, usw.
Entsprechend den vorgenannten Bildern aus aller Welt, dürfen wir froh sein in diesem Land, in diesem Kreis zu leben. Aber wir müssen uns auch fragen, welche Leistung wir erbringen.“
Richtig merkt er an:
„Jetzt ist es mehr denn je hoch an der Zeit, die Versprechen der Demokratie wahr werden zu lassen. Jetzt ist es an der Zeit, sich aus dem dunklen und trostlosen Tal des ewigen Pessimismus zu erheben und einen Beitrag zu leisten, um auf einen zukunftsorientierten Weg zu gehen. Und es ist hoch an der Zeit, die Fehlentwicklungen als solche klar anzusprechen und entgegen zu halten.“
In diesem Sinne fordere ich Sie auf, in der restlichen Amtszeit des Kreistages die richtigen Entscheidungen für die Bürger_innen im Landkreis zu treffen. Fehler wie bei der Helfensteinklinik können wir uns nicht mehr erlauben und zeigen Sie endlich klare Kante gegen Rechts, denn Rechtsextremismus und Faschismus sind keine Meinung sondern ein Verbrechen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit
Es gilt das gesprochene Wort.
Göppingen, der 11.11.2022
Christian Stähle (KrR/StR)