Alle wollen sparen

Kreistag Göppingen: Die Fraktionen kritisieren in ihren Haushaltsreden die Politik von Land und Bund. Kommen etliche Stellen im Landratsamt auf den Prüfstand?

(Presseecho: NWZ/SüdwestPresse, von D. Hülser, 09.11.2024)

Erstmals seit fünf Jahren will der Landkreis wieder den Hebesatz der Kreisumlage erhöhen. Dieser Punkt war ein zentraler in den Haushaltsreden der Kreistags-Fraktionen am Freitagnachmittag, genauso wie das enorme Klinikdefizit und der Ärger über fehlendes Geld von Bund und Land. Einige Schwerpunkte:

CDU
Fraktionsvorsitzender Wolfgang Rapp wurde in seiner Rede grundsätzlich: „Wir kritisieren, dass dem Landkreis zu viel und ständig mehr ohne ausreichenden Finanzausgleich aufgebürdet wird. Wir monieren aber auch die Fehler des Landkreises in der Vergangenheit.“ Erst Mitte Oktober habe der Kreistag auf seiner Klausur zwölf Schlüsselthemen für die ganzheitliche und zukunftsorientierte Kreisentwicklung gewichtet. „Leider haben wir das zugesagte Ergebnis bis heute noch nicht erhalten“, monierte Rapp. Thema Klinik: Hier beantragt die CDU, dass sich der Kreis „dem Klageverfahren gegen den Bund und das Land wegen einer nicht auskömmlichen Finanzierung des Klinikwesens“ anschließt. „Bei der Wirtschaftskraft hinken wir den anderen Landkreisen hinterher“, merkte Rapp an. „Wir müssen schleunigst die Trendwende schaffen.“ Daher müsse ein Hauptaugenmerk auf die Wirtschaftsförderung gelegt werden. Sind deren Strukturen noch zeitgemäß? Wie kann sie effizienter werden? „Darauf müssen wir Antworten finden“, forderte Rapp

Freie Wähler
Für die Fraktion ist die vorgeschlagene Erhöhung der Kreisumlage um 5,1 Prozentpunkte für die Kommunen im Landkreis „schlichtweg nicht finanzierbar“. Das bekräftigte Fraktionsvorsitzender Hans-Rudi Bührle, der auch Bürgermeister von Bad Boll ist. Der geplante Anstieg basiere rein rechnerisch auf dem erwarteten Defizit der Klinik, das nach der Auffassung der Freien Wähler durch die Krankenhaus-Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach eher noch verschärft werde. Deshalb beantragt die Fraktion, gegen die Reform zu klagen. In Anbetracht der knappen Finanzmittel hinterfragt Bührle auch bestehende Strukturen: So sollen Stellen wie die Gleichstellungsbeauftragte, Klimafolgenanpassungsstellen, Radverkehrsplaner, Jugendhilfearbeitskreis, Klimabeirat, Altenhilfefachberatung und Pflegestütz- punkt auf den Prüfstand gestellt werden – sofern dies Freiwilligkeitsleistungen seien.

SPD
In Anbetracht der Haushaltslage werde auch seine Fraktion „keine großen Anträge einbringen, die den Kreishaushalt stärker belasten“, kündigte Vorsitzender Benjamin Christian an. „Das bedeutet aber nicht, dass wir wilden Kürzungsorgien zustimmen werden. Es gibt rote Linien bei zentralen Aufgaben des Landkreises, die nicht überschritten werden dürfen.“ Hier nannte Christian Investitionen in die Schulen, die gewachsene soziale Infrastruktur und den ÖPNV. Die Perspektive einer S-Bahn bis Geislingen und auch Bad Boll sei ein starkes Signal, dieses Ziel müsse nun mit Nachdruck verfolgt werden. „Eigentlich ist es wurst, ob der Zug S-Bahn, MEX oder Lummerlandbahn heißt“, fand Christian. „Wir brauchen ein qualitativ gutes Angebot mit einem vernünftigen Takt.“ Und er appellierte: „Es muss unser eigenes Interesse als Landkreis sein, eine Vision 2035 für unsere Klinik zu entwickeln. Als zentrales Klinikum zwischen Stuttgart und Ulm. Mit Ausstrahlung auch auf andere Kreise.“

AfD
„Mit Sorge“ betrachtet die Fraktion „den ausufernden Sozialbereich in Höhe von 170 Millionen Euro“, konstatierte Fraktionsvorsitzender Michael Weller. Er betonte, eine Erhöhung der Kreisumlage sei „aus mehreren Gründen nicht vertretbar.“ Dies werde vorrangig mit der Finanzierung des Klinikdefizits begründet – „Gelder, die der Bund bezahlen muss“, stellte Weller fest. „Sollte der Bund seiner Zahlungsverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen, fordern wir, dass hier geklagt wird.“ Nach Wellers Angaben seien 285 Personen im Kreis ausreisepflichtig, deshalb beantragt die AfD eine Stelle für einen „Remigrationsbeauftragten“. 470.000 Euro will Weller einsparen, indem alle Stellen, die mit Klimaschutz zu tun haben, gestrichen werden. Auch der Bereich für „Bürgerschaftliches Engagement“ soll eingestellt werden, um 70.000 Euro zu sparen.

Grüne
An Landrat Edgar Wolff gewandt, sagte Fraktionsvorsitzender Hans Zeeb: „Sie haben bei der Einbringung des weiter sehr wackligen Haushalts die Problemlage beschrieben.“ Aber es gebe durchaus auch Anlass zur Hoffnung. Zeeb betonte: „Wir stellen keine Kosten auslösenden Anträge.“ Ein großes Problem sei die Personalsituation: „Auch in Zukunft wird es schwer sein, Stellen zeitnah zu besetzen, wenn überhaupt geeignetes Fachpersonal für die Verwaltung gefunden wird.“ Wichtig seien weiterhin die Themen Klima, Klimaschutz, Klimafolgenvorbereitung und Biodiversität: „Dies als Orchideenaufgabe zu bezeichnen, wie wir es im Brief der Bürgermeister lesen mussten, zeugt von zweifelhaftem Desinteresse“, kritisierte Zeeb. Bei der Kreisumlage werben die Grünen für eine Erhöhung um „drei Punkte plus x“. Architekt Zeeb betonte mit Blick auf die Kosten des Klinikneubaus, aus seiner Sicht seien diese nicht explodiert, denn die Gründe für die Kostensteigerungen seien „sehr vielfältig und oft mit echten neu geschaffenen Werten verbunden“.

FDP
Keine Fraktion bildet die FDP, die drei Kreisräte haben nur noch den Status einer Gruppe. „Unabwendbar“ ist laut deren Sprecher Oliver Strommer eine Erhöhung der Kreisumlage, „und dann auch direkt erheblich“. Die Landkreisverwaltung habe in ihrem vorgelegten Haushaltsentwurf bereits viele richtige Einsparmaßnahmen aus fast allen Bereichen mit einem Volumen von über 30 Millionen Euro vorgesehen, um dem Defizit entgegenzuwirken. „Wir als FDP unterstützen diese Maßnahmen ausdrücklich“, erklärte Strommer. Trotz der insgesamt schlechten finanziellen Lage dürfe es beim Thema Klinikabriss keinen falschen Aktionismus geben. „Die Forderung, den Beschluss zum Abriss der alten Klinik am Eichert zugunsten eines waghalsigen Projekts eines Investors infrage zu stellen, können wir als FDP nicht nachvollziehen.“

Linke
In dieselbe Kerbe wie die meisten anderen Redner schlug auch Linken-Einzelkreisrat Christian Stähle: „Immer mehr und immer neue Aufgaben werden den Kommunen zugewiesen, von einer finanziellen Kompensation kann keine Rede sein. Das werden wir alleine kaum schultern können.“ Die Lage sei alles andere als rosig: „Wir müssen nun dramatisch sparen, deshalb können wir auch nicht 22 Millionen und eventuell noch mehr für den Klinikabriss planen, das wäre ein Kamikazeflug ins eigene Kontor.“ Stähle beantragte, den Abriss zu stoppen und stattdessen die Nachnutzung der Klinik durch einen Investor.

 



Kreis will 64 Millionen Euro investieren
64 Millionen Euro will der Landkreis Göppingen im Jahr 2025 investieren, mehr als die Hälfte des Geldes geht ans Alb-Fils-Klinikum. (2024: 97,6 Millionen Euro, 70 davon fürs Klinikum). Unterm Strich soll das Volumen des neuen Etats 457 Millionen Euro betragen (2024: 444).Auf 43,7 Millionen Euro soll sich die Schuldenaufnahme belaufen, der Schuldenstand zum 1. Januar 2025 beträgt 237,9 Millionen Euro. Fürs Ende des kommenden Jahres sollen die Schulden pro Einwohner dann bei 1055 Euro liegen. Wird die Kreisumlage wie geplant um 5,1 Punkte auf 37,6 Prozent erhöht, schrumpft die Ergebnisrücklage, also der Sparstrumpf, dennoch auf 13,8 Millionen, Ende 2028 wäre das Geld aufgebraucht.