Frust über Rotstift-Politik der Kirche

Fünf Kitas will die evangelische Kirche in Göppingen loswerden – bis zum Ausstieg soll die Stadt die vollen Kosten übernehmen. Der Gemeinderat stimmte zähneknirschend zu. Kontrovers blieb es dennoch.

(Presseecho: NWZ/SüdwestPresse, von A. Woletz, 02.11.2024)


Nun ist es amtlich: Die Stadt Göppingen greift der evangelischen Kirche bei der Kinderbetreuung finanziell unter die Arme. Die evangelische Verbundkirchengemeinde tritt bei ihren Kindertagesstätten nämlich voll auf die Kostenbremse. Im kommenden Jahr wird zunächst das Schöllkopfheim in der Nordstadt geschlossen. Außerdem wird die Kirchengemeinde später auch aus den Kinderhäusern Paul Koepff beim Göppinger Friedhof, dem Reuschkindergarten, dem Martin-Luther-Kindergarten im Bodenfeld sowie dem Kindergarten Sonnenbrücke aussteigen. Betroffen sind etwa 180 Kinder. So die aktuellen Pläne.

Diese Hiobsbotschaft hatte sich seit dem Frühjahr angedeutet. Für vier Kinderhäuser hat sich die Kirche dann auf den Kompromiss eingelassen, sie bis Sommer 2027 weiterzubetreiben, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Stadt bis zum Ausstieg die Betriebskosten für die vier Kitas zu 100 Prozent übernehmen wird.  In Trägerschaft der evangelischen Verbundkirchengemeinde bleiben dann nur noch der Waldeckkindergarten und der Blumhardt-Kindergarten im Reusch (siehe Infobox).

Für die Stadt Göppingen wird sich der bestehende Mangel an Kindergartenplätzen dadurch noch verschärfen. Noch sei nicht entscheidungsreif, ob die Stadt die evangelischen Kitas samt der Gebäude übernehmen wird, oder ob sie die Plätze an anderer Stelle kompensiert, heißt es in der Gemeinderatsvorlage. Die Bürgervertreter stimmten zähneknirschend der Kostenübernahme durch die Stadt zu, um sich wenigstens in die Übergangszeit zu retten. Sonst würden 180 Kinder schnell ohne Platz dastehen.

Allerdings wollten nicht alle Stadträte das klaglos hinnehmen. Vor allem der Stadtrat und evangelische Theologe Christian Stähle (Die Linke) machte seinem Unmut Luft: Er nannte es einen „unerträglichen kirchenpolitischen Vorgang, den Eltern die Türe vor der Nase zuzuknallen“. Stähle störte es auch, dass die evangelische Kirche jedes Jahr bei der Aktion Brot für die Welt für Bedürftige in aller Welt sammelt, „sich aber keine Gedanken macht, wie sie mit den eigenen Schäfchen in Deutschland umgeht, wie er fand“. Er sagte, er erwäge sogar den Austritt aus der Kirche. Hingegen zeigte Volker Landskron (Grüne) Verständnis für diesen Schritt.

Felix Gerber (CDU)  nannte den Ausstieg „eine sehr bedauerliche Entwicklung. Aber wir müssen das so akzeptieren“. Es gelte jetzt alles daran zu setzen, dass die Einrichtungen in zweieinhalb Jahren nicht geschlossen werden müssen oder die Plätze bis dahin woanders neu geschaffen werden können. Dieser Hoffnung schlossen sich viele andere Stadträte und der Oberbürgermeister an. Und Sozialdezernentin Almut Cobet erklärte: „Wir arbeiten intensiv daran, dass wenigstens die anderen freien Träger an Bord bleiben.“

Pfarrer wirbt um Verständnis

Eigentlich sollten Vertreter der evangelischen Verbundkirchengemeinde in der Sitzung zu Wort kommen. Doch weil der Zeitplan durcheinander geraten war, kam es dazu nicht.  Pfarrer Niklas Schleicher, der in der Verbundkirchengemeinde den Kindergartenausschuss leitet, warb aber gegenüber der Zeitung um Verständnis für die Einschnitte.

Die finanzielle Situation der Kirche sei sehr problematisch, vor allem wegen der einbrechenden Mitgliederzahlen und Kirchensteuereinnahmen. Die Gebäude der evangelischen Kirche in Göppingen seien auf 15.000 Gemeindeglieder ausgelegt, tatsächlich seien es noch 6000. Schleicher sagte, bliebe die Kirche in allen Kitas aktiv, müsse sie einen Abmangel von 90.000 bis 100.000 Euro jährlich aus allgemeinen Mitteln finanzieren. „Das können wir auf Dauer nicht leisten“. 

Frust bei Eltern und Pädagogen

Das ließen auch die Vorgaben der Landeskirche nicht zu, so Schleicher. Dazu komme, dass an den Kindergartengebäuden Investitionen anstehen würden. Er könne aber den Frust der Eltern und des Kindergarten-Personals nachvollziehen, sagte der Pfarrer.

Der Ausstieg aus der Trägerschaft bedeute aber nicht, dass die Kirche sich aus der christlichen Bildung verabschiede, betont Schleicher. Die sei ja im Orientierungsplan festgeschrieben. Zwar seien Kindergärten tatsächlich der Ort, wo man Familien begegne und die Kirche wolle ihre christliche Erziehung weiter betreiben, „aber eben dort, wo wir es leisten können.“

 


Kindergärten Blumhardthaus und Waldeck außen vor

Räume Dass die evangelische Verbundkirchengemeinde ausgerechnet die beiden Kindergärten Blumhardthaus und an der Waldeckkirche in eigener Regie behalten will, erklärt der Pfarrer so:  An diesen beiden Standorten seien die Kitas architektonisch eng mit dem Gemeindehaus beziehungsweise der Kirche verbunden. Eine Trennung würde sich schwierig gestalten.

Menschen Außerdem gebe es im Reusch und im Waldeck starke Verbindungen der Kinderhäuser mit den Ortsgemeinden.